Auftraggeber:
Markt Dietmannsried
Wettbewerb:
Nichtoffener Realisierungswettbewerb mit Ideenteil
Projektbeteiligte:
Landschaftsarchitekt:
realgrün Landschaftsarchitekten und Stadtplaner GmbH, München
Die Ortsmitte Probstrieds soll mit neuen Funktionen belebt, bereichert, und baulich verdichtet werden. Ziel ist ein starker Impuls für eine lebendige und zukunftsfähige Entwicklung hinsichtlich von erschwinglichem Wohnraum, Nahversorgung, Vereinsleben und Identifikation mit dem Heimatort.
Das historische Gebäude des Gasthof Hirsch steht mit seiner Verortung sehr nahe der Straßenkreuzung einer idealen Entwicklung leider im Wege. Erst der Abbruch des Gebäudes schafft den Raum, zu dem sehr schönen Biergarten auch einen kleinen Dorfplatz zu gesellen, diesen mit Dorfladen und Gewerbe zu flankieren und das neue Gasthaus als Ergänzung der Raumbildung an den Biergarten zu stellen.
Die Nachhaltigkeit der Lösung liegt in ihrem zusätzlichen Potential für die Ortsentwicklung: Revitalisierung des Ortszentrums - neben dem Dorfplatz, dem Biergarten und dem grünen Dorfanger wird neues Wohnen im Ortszentrum etabliert. Eingebettet in einen Obstgarten nimmt es Bezüge zur dörflichen Struktur der Umgebung auf. Spiel- und Aufenthaltsbereiche, wie auch die Anlage von Gemeinschaftsgärten befördern ein positives soziales Miteinander.
Nutzungsverteilung und Maßstäblichkeit
Der Neue Gasthof Hirsch bekommt eine besondere Stellung und Bauform. Er nimmt Bezüge zu allen Seiten auf: Nach Süden hin zum vorhandenen Biergarten, mit bestehendem, wertvollem Baumbestand. Hier kann direkt bewirtet werden, ohne eine Straße zu überqueren. Nach Westen bespielt der Gasthof sehr selbstverständlich den Dorfanger – sei es als Bewirtung bei Veranstaltungen oder für eine attraktive Bestuhlung in Grüne hinein, der Eingang weist nach Osten zum neuen Dorfplatz und den umgebenden öffentlichen Nutzungen. Nach Norden setzt sich seine Nutzung logisch im Gästehaus fort. Hier bilden die beiden Erschließungen ein Dialog und lesbares Zusammenspiel.
Das beiden Wohn- und Geschäftshäuser entlang der Hauptstraße und des Wirtshalder Weges bilden jeweils giebelständig den neuen Dorfplatz aus. Zum Platz hin liegen jeweils die Eingänge der öffentlichen Funktionen: Dorfladen, Cafe und Gewerbe. Dies bringt zusammen mit dem Wirtshaus den Platz durch Frequenz zum Leben, bringt die nötige Dichte und Zentralität als Dorfmitte.
Die zwei reinen Wohnhäuser nutzen die Tiefe des Grundstückes aus und bieten gute Bedingungen für das Wohnen: Umgeben von Grün und dennoch zentral im Dorf. Die Raumkanten der Traufseiten der Wohngebäude bilden einen offenen Hof, der gemeinschaftlich genutzt wird, geschützt vor dem Tageslärm des Verkehres der Hauptstraße.
Die Einfügung der neuen Gebäude in die bestehende Körnung und Strukturen gelingt ohne Brüche und Maßstabssprünge. Die natürliche Topografie umspielt die relativ kleinen Gebäude sehr selbstverständlich und ohne künstliche Geländekanten. Die Gebäude fügen sich mit zwei Vollgeschoßen plus ausgebautem Dachgeschoß in die Umgebung ein. Der Verzicht auf Gauben und Quergiebel schafft eine ruhige, dem dörflichen Umfeld angemessene Dachlandschaft.
Freiraumkonzept: Identität des Ortes
Ziel des vorliegenden Konzeptes ist die Entwicklung ortsbildprägender Freiraumstrukturen in Analogie der angelagerten Zentrumsnutzungen.
Der Dorfplatz, ausgestattet mit einem kleinen Brunnen und der Dorflinde lädt zum Verweilen ein. Einige Stufen zonieren zur Hauptstraße und den dort befindlichen Kurzzeitstellplätzen. In direkter Nachbarschaft befindet sich im Schatten der Bestandsbäume der Biergarten.
Der Wirtshalder Weg wird im niveaugleichen Ausbau als barrierefreier shared space vorgeschlagen. Er wird somit verbindendes Element aller angelagerten Nutzungen. Sowohl der Dorfplatz als auch der Straßenraum erhalten eine signifikante Pflasterung aus Naturstein und heben sich somit von den umgebenden Straßenräumen ab.
Der an den Biergarten westlich angrenzende grüne Dorfanger komplettiert als vielfältig nutzbare und frei bespielbare Grünfläche das Ensemble. Sein Ausbau erfolgt in Schotterrasen, sodass bspw. eine Befahrung oder das Aufstellen von Bühnen langfristig gewährleistet ist. Eine kleine Treppen- und Rampenanlage zoniert und verbindet barrierefrei mit der vorgelagerten Hauptstraße und den Bushaltestellen.
Verkehr und Erschließung
Der Wirtshalder Weg wird durch die Gestaltung als shared space verlangsamt und aufgewertet. Alle Teilnehmer sind gleichberechtigt und man nimmt natürlicherweise Rücksicht auf die Schwächsten zu Fuß. Der Individualverkehr taucht nach dem Wirtshaus an zentraler Stelle in die gemeinsame Tiefgararge für Bewohner und Gäste ab. Sie bietet auch das Potential, im Dorf ein zentrales Car-Sharing Angebot zu organisieren. Das Gästehaus des Gasthofes nimmt im Erdgeschoss das Parken der Gasthof-Besucher in einem überdachten Stellplatzbereich auf. Dieser Carport schützt die benachbarte Wohnbebauung vor Lärmemission des anfahrenden Verkehrs. Weitere oberirdische Stellplätze befinden sich entlang der Hauptstraße, als nicht explizit ausgewiesener Raum im shared space, barrierefreie Stellplätze sind direkt vor den Geschäften angeordnet.
Die Wohngebäude gruppieren sich auf dem vorhandenen sanft ansteigenden Gelände um einen gemeinschaftlich genutzten grünen Innenhof. Alle Wohnungen werden von diesem Obstgarten erschlossen und orientieren sich mit Freiraumbezügen zu dieser gemeinschaftlich genutzten Grünfläche. Anwohner parken in der Tiefgarage, welche auch die Abstellflächen, Wasch und Trockenräume erschließt. In den Erdgeschossen gibt es jeweils großzügige Abstellräume für Kinderwägen, einige Fahrräder und Spielgeräte.
Grundrisskonzept Wohnen
Die Ausrichtung der Häuser erlaubt eine Orientierung von Wohnräumen auf alle Seiten. Die Wohnungen erhalten eine Kombination von Loggien und Balkon und in die Dächer eingeschnittene Dachterrassen.
Der angebotene Wohnungsmix entspricht den Anforderungen des Auslobers und deckt den aktuellen Bedarf an kleinteiligen Wohnungen für 2 bis 3 Personen ab. Treppenhauskern und Wohnungsvorraum sind innenliegend angeordnet, um die Belichtung der Wohnräume zu maximieren. Mit einem Versatz zwischen Treppenraum und Wohnungsvorraum werden die Wohnungen in einem Dreibund erschlossen. Der Versatz setzt den Treppenraum als Emissionsquelle ab und organisiert die Erschließung der Wohnungsgrundrisse in einer schneckenförmigen Bewegung. Auf der Geschossfläche können 2, 3 und 4 Zimmerwohnung flexibel miteinander kombiniert werden.
Der Dorfladen besitzt im rückwärtigen Teil des Gebäudes eine funktionale Ladezone neben der Zufahrt zum Nachbarn und einen eingeschossigen Lagerbereich in Richtung Norden.
Nachhaltigkeit
Die langfristige Nachhaltigkeit bemisst sich größtenteils im Energieverbrauch während des Lebenszyklus der Gebäude. Die vorgeschlagene Konstruktion ermöglicht es mit geringem und ökologisch sinnvoll eingesetztem Aufwand attraktive Zuschüsse des kfw-Programms für ein Effizienzhaus 55 oder 55 EE zu erlangen.
Robuste und leicht zu unterhaltende Bauten, innen Putz auf Massivwand, außen langlebige und wartungsfreie Holzfassaden, Putz beim Gasthaus, bieten einen liebens- und erhaltenswerten Lebensraum. Gestaltqualität als Mehrwert der Architektur sowie starke Identifikation der Bewohner, Benutzer und Gäste sorgt für dauerhafte Akzeptanz. Nur die Akzeptanz der Benutzer kann die Funktionalität und Wertigkeit der Anlage langfristig erhalten. Die Gebäude erlauben spätere Nutzungsanpassungen und leisten auch damit einen Beitrag zum ökologischen und ökonomischen Weiterbauen im Do
Konstruktion – Materialität
Alle Gebäude mit Ausnahme des neuen Gasthof Hirsch werden in Massivbauweise mit Ziegelwänden und Stahlbetondecken hergestellt. Ziegelmauerwerk und Betondecken sind kostengünstig zu erstellen und sichern einfachen und guten Schallschutz, das verputzte Mauerwerk steht für gutes Raumklima. Den erhöhten Wärmeschutz der Außenhülle leistet die Dämmung aus Holz-Weichfaser. Fassade und Wetterschutz ist ein vertikaler Holzschild aus unbehandelter Fichte, welcher spielerischen Umgang mit anteilig überdeckten Ladenfassaden oder Badfenstern erlaubt. Ausschnitte und Vorsprünge verleihen den Häusern im Ensemble jeweils eigenen Charakter, die hölzernen Oberflächen integrieren die schlichten Satteldach-Baukörper gut in die umgebende Dorfstruktur.
Der Gasthof mit Veranstaltungsräumen als Dreh und Angelpunkt sozialen Lebens im Dorf materialisiert sich als verputzter Massivbau mit einem Zeltdach und stellt sich mit großen Fensteröffnungen als Gebäude besonderer Nutzung heraus. Die Außenwand wird monolithisch mit Holzfaser-gefüllten Dämmziegeln erstellt, der Putz wird mit einem Besenstrich fein strukturiert.
Angestrebt werden nachhaltige Konstruktionen mit dauerhaften und wartungsarmen Oberflächen, welche auch für starke Beanspruchung geeignet sind und dennoch von den Benutzern gut angenommen werden können.
Energiekonzept
Für Beheizung und Warmwasserbereitung des Quartiers sollte als Initialzündung für eine zukünftige Nahwärmeversorgung versucht werden, beim Sägewerk ein Hackschnitzel BHKW zu errichten. Sollte dies im Rahmen der Maßnahme nicht möglich sein, schlagen wir ein Sondenfeld mit Tiefbohrungen und Wärmetauschern vor.
Die Wärmeübergabe erfolgt über Fußbodenheizungen, beim Dorfladen über Heiz-Kühldecken. Für die sommerliche Kühlung in Laden und Gasthaus werden mit kleinem Aufwand die Wärmepumpen und Flächenheizungen verwendet. Photovoltaik auf den Ost/West und Süd ausgerichteten Dachflächen der Wohnhäuser wird für den eigenen Bedarf an Allgemeinstrom und für Ladesäulen von PKW und Fahrräder genutzt. Optional ist Batteriespeicherung und ein Mieterstrom-Modell.
In Gasthaus und Dorfladenden erfolgt die Lüftung mit Wärmerückgewinnung.
Bei den Wohnungen wird auf die Wärmerückgewinnung aus Kostengründen und wegen des sehr unterschiedlichen Nutzerverhaltens verzichtet. Die notwendige Lufthygiene der Wohnungen wird durch Abluftanlagen mit Nachströmung über den Fensterfalz gewährleistet.